DIE KRANICHE DES IBYKUS | |
Zum Kampf der Wagen und Gesänge, | |
Der auf Korinthus' Landesenge | |
Der Griechen Stämme froh vereint, | |
Zog Ibykus, der Götterfreund. | |
Ihm schenkte des Gesanges Gabe, | |
Der Lieder süßen Mund Apoll, | |
So wandert' er, an leichtem Stabe, | |
Aus Rhegium, des Gottes voll. | |
Schon winkt auf hohem Bergesrücken | |
Akrokorinth des Wandrers Blicken, | |
Und in Poseidons Fichtenhain | |
Tritt er mit frommem Schauder ein. | |
Nichts regt sich um ihn her, nur Schwärme | |
Von Kranichen begleiten ihn, | |
Die fernhin nach des Südens Wärme | |
In graulichtem Geschwader ziehn. | |
"Seid mir gegrüßt, befreundte Scharen! | |
Die mir zur See Begleiter waren, | |
Zum guten Zeichen nehm ich euch, | |
Mein Los, es ist dem euren gleich. | |
Von fernher kommen wir gezogen | |
Und flehen um ein wirtlich Dach. | |
Sei uns der Gastliche gewogen, | |
Der von dem Fremdling wehrt die Schmach!" | |
Und munter fördert er die Schritte | |
Und sieht sich in des Waldes Mitte, | |
Da sperren, auf gedrangem Steg, | |
Zwei Mörder plötzlich seinen Weg. | |
Zum Kampfe muß er sich bereiten, | |
Doch bald ermattet sinkt die Hand, | |
Sie hat der Leier zarte Saiten, | |
Doch nie des Bogens Kraft gespannt. | |
Er ruft die Menschen an, die Götter, | |
Sein Flehen dringt zu keinem Retter, | |
Wie weit er auch die Stimme schickt, | |
Nicht Lebendes wird hier erblickt. | |
"So muß ich hier verlassen sterben, | |
Auf fremdem Boden, unbeweint, | |
Durch böser Buben Hand verderben, | |
Wo auch kein Rächer mir erscheint!" | |
Und schwer getroffen sinkt er nieder, | |
Da rauscht der Kraniche Gefieder, | |
Er hört, schon kann er nichts mehr sehn, | |
Die nahen Stimmen furchtbar krähn. | |
"Von euch, ihr Kraniche dort oben, | |
Wenn keine andre Stimme spricht, | |
Sei meines Mordes Klag erhoben!" | |
Er ruft es, und sein Auge bricht. | |
Der nackte Leichnam wird gefunden, | |
Und bald, obgleich entstellt von Wunden, | |
Erkennt der Gastfreund in Korinth | |
Die Züge, die ihm teuer sind. | |
"Und muß ich dich so wiederfinden, | |
Und hoffte mit der Fichte Kranz | |
Des Sängers Schläfe zu umwinden, | |
Bestrahlt von seines Ruhmes Glanz!" | |
Und jammernd hören's alle Gäste, | |
Versammelt bei Poseidons Feste, | |
Ganz Griechenland ergreift der Schmerz, | |
Verloren hat ihn jedes Herz. | |
Und stürmend drängt sich zum Prytanen | |
Das Volk, es fordert seine Wut, | |
Zu rächen des Erschlagnen Manen, | |
Zu sühnen mit des Mörders Blut. | |
Doch wo die Spur, die aus der Menge, | |
Der Völker flutendem Gedränge, | |
Gelocket von der Spiele Pracht, | |
Den schwarzen Täter kenntlich macht? | |
Sind's Räuber, die ihn feig erschlagen? | |
Tat's neidisch ein verborgner Feind? | |
Nur Helios vermag's zu sagen, | |
Der alles Irdische bescheint. | |
Er geht vielleicht mit frechem Schritte | |
Jetzt eben durch der Griechen Mitte, | |
Und während ihn die Rache sucht, | |
Genießt er seines Frevels Frucht. | |
Auf ihres eignen Tempels Schwelle | |
Trotzt er vielleicht den Göttern, mengt | |
Sich dreist in jene Menschenwelle, | |
Die dort sich zum Theater drängt. | |
Denn Bank an Bank gedränget sitzen, | |
Es brechen fast der Bühne Stützen, | |
Herbeigeströmt von fern und nah, | |
Der Griechen Völker wartend da, | |
Dumpfbrausend wie des Meeres Wogen; | |
Von Menschen wimmelnd, wächst der Bau | |
In weiter stets geschweiftem Bogen | |
Hinauf bis in des Himmels Blau. | |
Wer zählt die Völker, nennt die Namen, | |
Die gastlich hier zusammenkamen? | |
Von Theseus' Stadt, von Aulis' Strand, | |
Von Phokis, vom Spartanerland, | |
Von Asiens entlegener Küste, | |
Von allen Inseln kamen sie | |
Und horchen von dem Schaugerüste | |
Des Chores grauser Melodie, | |
Der streng und ernst, nach alter Sitte, | |
Mit langsam abgemeßnem Schritte, | |
Hervortritt aus dem Hintergrund, | |
Umwandelnd des Theaters Rund. | |
So schreiten keine irdschen Weiber, | |
Die zeugete kein sterblich Haus! | |
Es steigt das Riesenmaß der Leiber | |
Hoch über menschliches hinaus. | |
Ein schwarzer Mantel schlägt die Lenden, | |
Sie schwingen in entfleischten Händen | |
Der Fackel düsterrote Glut, | |
In ihren Wangen fließt kein Blut. | |
Und wo die Haare lieblich flattern, | |
Um Menschenstirnen freundlich wehn, | |
Da sieht man Schlangen hier und Nattern | |
Die giftgeschwollenen Bäuche blähn. | |
Und schauerlich gedreht im Kreise | |
Beginnen sie des Hymnus Weise, | |
Der durch das Herz zerreißend dringt, | |
Die Bande um den Sünder schlingt. | |
Besinnungsraubend, herzbetörend | |
Schallt der Errinyen Gesang, | |
Er schallt, des Hörers Mark verzehrend, | |
Und duldet nicht der Leier Klang: | |
Wohl dem, der frei von Schuld und Fehle | |
Bewahrt die kindlich reine Seele! | |
Ihm dürfen wir nicht rächend nahn, | |
Er wandelt frei des Lebens Bahn. | |
Doch wehe, wehe, wer verstohlen | |
Des Mordes schwere Tat vollbracht, | |
Wir heften uns an seine Sohlen, | |
Das furchtbare Geschlecht der Nacht! | |
Und glaubt er fliehend zu entspringen, | |
Geflügelt sind wir da, die Schlingen | |
Ihm werfend um den flüchtgen Fuß, | |
Daß er zu Boden fallen muß. | |
So jagen wir ihn, ohn Ermatten, | |
Versöhnen kann uns keine Reu, | |
Ihn fort und fort bis zu den Schatten | |
Und geben ihn auch dort nicht frei. | |
So singend, tanzen sie den Reigen, | |
Und Stille wie des Todes Schweigen | |
Liegt überm ganzen Hause schwer, | |
Als ob die Gottheit nahe wär. | |
Und feierlich, nach alter Sitte | |
Umwandelnd des Theaters Rund | |
Mit langsam abgemeßnem Schritte, | |
Verschwinden sie im Hintergrund. | |
Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet | |
Noch zweifelnd jede Brust und bebet | |
Und huldigt der furchtbarn Macht, | |
Die richtend im Verborgnen wacht, | |
Die unerforschlich, unergründet | |
Des Schicksals dunklen Knäuel flicht, | |
Dem tiefen Herzen sich verkündet, | |
Doch fliehet vor dem Sonnenlicht. | |
Da hört man auf den höchsten Stufen | |
Auf einmal eine Stimme rufen: | |
"Sieh da! Sieh da, Timotheus, | |
Die Kraniche des Ibykus!" - | |
Und finster plötzlich wird der Himmel, | |
Und über dem Theater hin | |
Sieht man in schwärzlichtem Gewimmel | |
Ein Kranichheer vorüberziehn. | |
"Des Ibykus!" - Der teure Name | |
Rührt jede Brust mit neuem Grame, | |
Und, wie im Meere Well auf Well, | |
So läuft's von Mund zu Munde schnell: | |
"Des Ibykus, den wir beweinen, | |
Den eine Mörderhand erschlug! | |
Was ist's mit dem? Was kann er meinen? | |
Was ist's mit diesem Kranichzug?" - | |
Und lauter immer wird die Frage, | |
Und ahnend fliegt's mit Blitzesschlage | |
Durch alle Herzen. "Gebet acht! | |
Das ist der Eumeniden Macht! | |
Der fromme Dichter wird gerochen, | |
Der Mörder bietet selbst sich dar! | |
Ergreift ihn, der das Wort gesprochen, | |
Und ihn, an den's gerichtet war." | |
Doch dem war kaum das Wort entfahren, | |
Möcht er's im Busen gern bewahren; | |
Umsonst, der schreckenbleiche Mund | |
Macht schnell die Schuldbewußten kund. | |
Man reißt und schleppt sie vor den Richter, | |
Die Szene wird zum Tribunal, | |
Und es gestehn die Bösewichter, | |
Getroffen von der Rache Strahl. | |
Немеч ногӧн гижис
Friedrich von Schiller
Friedrich von Schiller